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Kindergeschichten

 

Wie der Wetterfrosch Balduin einen anderen Namen bekam

 

Erinnert Ihr Euch noch? Damals, als keine Satelliten das Wetter vorhersagen konnten, keine Computer den Luftdruck berechnen konnten. Das war die große Zeit der Wetterfrösche. In dieser Zeit spielt meine Geschichte.

 

Balduin bemerkte Seltsames. Wenn er auf die dritte Sprosse hüpfte, dann kam der Wettermann vom Dienst, schaute in das Glas, ging rüber zum Barometer und klopfte auf die Scheibe. Danach klappte er den Buchdeckel auf und schrieb Zahlen hinein.

Balduin war aufgefallen, dass er auf dieser Sprosse intensiver beobachtet wurde. Immer wieder schaute der Mensch zu ihm herüber.

Aber dann, Balduin hüpfte auf die vierte Sprosse!

Der Mensch sprang um seinen Schreibtisch herum, glotzte Balduin an. Der saß immer noch auf der vierten Sprosse und rollte mit seinen Froschaugen.

Jetzt flitzte der Wettermann am Barometer vorbei und hämmerte an die Tür mit dem Schild ‚Oberwettermann’.

Und der kam auch gleich heraus und rannte zum Froschglas. Balduin genoss diese Augenblicke. Der Oberwettermann beobachtete ihn.

Er war schon versucht die fünfte Sprosse zu erobern.

 

Das hatte er vergangenes Jahr ausprobiert. Sofort hatte der Oberwettermann den Generalwettermann antelefoniert. Aber irgend etwas hatte mit der fünften Sprosse nicht gestimmt. Damals wurde Balduin mitsamt Glas hinüber getragen zu den Ersatzwetterfröschen. Eine bittere Zeit.

 

Es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre sein dreisilbiger Name auch noch in einen Zweisilbigen umgewandelt worden. Alle erfahrenen Wetterfrösche hatten nämlich beim staatlichen Wetterdienst dreisilbige Namen. Hier in der Wetterstation gab es zwei davon, den Balduin und ein Frosch, mit Namen Fridolin. Sie hatten wenig miteinander zu tun. Jeder hatte seine eigene Abteilung. Fridolin war erst kürzlich für Samuel gekommen. Der alte Samuel hatte in letzter Zeit Probleme mit dem Fön hier im Alpenvorland. Da konnte es schon passieren, dass er sich um  eine Leitersprosse verschätzte. Jetzt ist er in seiner wohlverdienten staatlichen Wetterfroschrente.

Dann gab es noch zwei Zweisilbige, den Erwin und den Moritz. Für die normalen Aufgaben hier in der Station reichte ihr Fachwissen, aber wenn es brenzlig wurde, dann war der Wetterdienst froh, dass er zwei dreisilbige Frösche hatte. Fritz war der einzige einsilbige Wetterfrosch. Er war noch in der Ausbildung. Bei schönem Wetter, bei einem stabilen Hoch konnte Fritz eigenverantwortlich auf der Leiter im Froschglas sitzen. Er durfte aber nie höher als auf die zweite Stufe. Die dritte Leitersprosse musste er sich von Erwin oder Moritz bestätigen lassen. Ja, ja, die Vorschriften. Dann gab es noch die Ersatzwetterfrösche im Nebenraum, die waren durchnummeriert, hatten keine Namen.

 

Heute jedenfalls würde sich Balduin nicht leichtsinnig auf die fünfte Stufe setzen, nur um den Oberwettermann zum Telefon zu jagen. Die Zeit bei den Ersatzwetterfröschen war bitter. Lange hatte es gedauert, bis er diese Enttäuschung überwunden hatte.

 

So blieb er auf der Vierten sitzen und beobachtete die beiden Menschen.

Es passierte nichts.

 

Bald jedoch spürte Balduin eine Luftdruckschwankung. Natürlich bemerkten das die Menschen noch nicht. Auch der Barometer hing träge an der Wand, keine Reaktion.

Es wunderte ihn aber, dass es drüben bei Fridolin noch so ruhig war. Der saß in seinem Glas immer noch auf der dritten Stufe.

 

Balduin spürte den Luftdruck, wie er fiel. Das war seine Stärke. Vor allen anderen konnte er voraussagen wann der Sturm losbrach.

 

Majestätisch setzte er sein Vorderbein auf die fünfte Sprosse, zog das andere nach.

Mit den Hinterbeinen drückte er sich ganz hinauf.

Der Oberwettermann stierte wieder ins Glas, rannte zum Telefon.

 

Die fünfte Stufe war nicht genug. Balduin hätte bestimmt der Schweiß auf der Stirn gestanden, wenn er ein Mensch gewesen wäre.

Er musste auch noch die letzte Sprosse nehmen. Es war die Sechste, so weit oben war er noch nie.

Puh, der Luftdruck in seinem Inneren, so was hatte er noch nicht erlebt.

Jetzt überschlug es sich, seine Temperaturfühler glühten um im nächsten Moment in Kälte einzutauchen.

Das war kein Wetter, nein nein, Wetter war das nicht!

 

Was war das? Der Frühjahrsfön brachte es höchstens mal bis zur fünften Sprosse. Aber die Sechste. Von der hatte er nur während seiner Wetterfroschseminare gehört. So was gab es bei Taifun oder Tornado, aber doch nicht hier im Alpenvorland.

 

Der diensthabende Wettermann stellte das Glas neben ihm ab. Balduin schaute entsetzt von seiner sechsten Stufe hinüber.

Ein Froschmädchen ... kein Tornado, kein Taifun ...

Von Fridolins Abteilung kam ein zufriedenes ‚Quak’ herüber.

Oh oh, die Ersatzwetterfrösche werden in breitmäulig angrinsen.

Balduin, mittlerweile zur untersten Sprosse zurückgeklettert, wurde aus dem Glas herausgenommen.

Oh je, er musste umziehen. In ein kleineres Glas, die Froschleiter dort hatte nur vier Sprossen. Er hatte den gefürchteten Vier-Silben-Frosch-Test nicht bestanden. Auf seinem neuen Glas stand ‚Janosch’ drauf.

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