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16.) Wenn der Postbote klingelt.

Prinzipiell hat der keine Zeit. Wenn Du nicht sofort an der Tür erscheinst, ist er weg. Dann liegt so ein Zettelchen im Briefkasten. Sie kennen das alle.
Postboten habe heutzutags keine Zeit mehr! Die heißen ja heute auch anders. Das sind Zusteller und die gibt es auch in der weiblichen Ausgabe als Zustellerinnen. Aber auch die haben keine Zeit mehr. Allerdings haben sie öfters mal ein freundliches Lächeln auf den Lippen, wenn man sich höflich bedankt.

Aber, ich bin sehr zufrieden, doch bin ich! Sie machen ihren Job gut. Da kann ich nicht klagen.

Das war mal ganz anders.

Was gab es nicht alles für Witze und zweideutige Anekdoten über den Postboten im Allgemeinen, und sein Verhältnis zur Weiblichkeit im Besonderen.

So manch einsame Hausfrau soll von ihm, falls man den Erzählungen glauben darf, beglückt worden sein.
Er kam eh fast jeden Tag ins Haus und als Beamter im damals noch staatlichen Postdienst hatte er Zeit, viel Zeit. Da war das eine oder auch das andere Schäferstündchen allemal drinnen.

Postbote war absolute Männerdomaine. Und es waren ausnahmslos die gutaussehenden und potenten Postler unterwegs. Die Anderen mit Nickelbrille und Schmerbauch saßen hinter den Schaltern und versprühten den Charme einer muffigen Postdienststelle. Sie stempelten, was das Zeug hielt und schauten zunehmend grimmiger, je größer die Warteschlage vor dem Schalter wurde. Nur schneller wurden sie nicht.

Kurzum, diese schneidigen Postbeamten umgab ein Hauch Erotik. Als Beamter war er in gesicherter Position und alleine schon von daher keine schlechte Partie.

Und, es gab ja auch den einen oder anderen Präzedenzfall. Da sah der Bub dem Postboten sowas von ähnlich. Die Nachbarschaft zerriss sich das Maul darüber, der Gehörnte spielte den Ahnungslosen und der Postbote stellte, wie immer, seine Packerl zu. Wenn Sie so wollen, wäre das heutzutags eine Win-win-Situation.

Im Laufe der Achtzigerjahre verblasste das Image. Die Post wurde ...? Ja, was wurde sie eigentlich? Privatisiert? Globalisiert? Ökonomisiert? Modernisiert? Pulverisiert?

Sagen wir es anders, sie ist nicht mehr das, was sie einmal war. Da können wir jetzt darüber streiten, ob die Post besser oder schlechter geworden ist. Zumindest ist sie anders geworden.

Und mit ihr die schneidigen Postboten von anno dazumal.
Jetzt hetzen sie von Haus zu Haus, kaum Zeit für ein Paar nette Worte zwischendurch. Ich bin der felsenfesten Überzeugung, sie würden das gerne tun, aber der Druck von oben lässt das nicht zu, er muss gewaltig sein.
Jetzt warten die einsamen und vernachlässigten Damen vergeblich.


17.) Beim Betrachten eines Zigarettenstummels

Hoppla, ein heikles Thema! Aber auch heiklen Themen muss man sich stellen. Das mit dem Rauchen ist keine einfache Sache. Da hab ich lange hin und herüberlegt, ob ich darüber was schreiben will. Ja, fast zu lange!
Sie merken schon, ich eiere rum, weil ich den richtigen Einstieg nicht finde. Aber, ich will das jetzt thematisieren!

Die Zigarette gehörte früher zum guten Ton, sie war salonfähig. Jeder hatte eine Fluppe zwischen den Fingern. Vom Filmstar bis zum Bundeskanzler.
Der nichtrauchende Griesgram war die Ausnahme. In den fünfziger und sechziger Jahren gehörte die Zigarette dazu!

Die Zigarettenreklame seinerzeit im Fernsehen war legendär. Das war Ästhetik pur. Wer Stuyvesant rauchte, war in der weiten Welt zu Hause. Der Marlboro Cowboy vermittelte uns grenzenlose Freiheit und das HB-Männchen sorgte für unseren Antistressfaktor.

Rauchen war elegant für die Damen und weltoffen bei den Herren.

Wir jungen Bürscherl kamen uns mit der Zigarette im Mundwinkel obercool und sehr erwachsen vor. In bestimmten Kreisen waren ganz bestimmte Zigarettenmarken Statussymbole.

Die französischen »Gauloises« hatten Kultstatus. Wer die rauchte war megageil und absolut szenentauglich. Wobei das Wort »geil« und »megageil« damals noch gar nicht im Sprachgebrauch der Jugend war. Seinerzeit war »geil« ein sehr unanständiges Wort.

Bleiben wir bei den Zigaretten. Die »Lucky Strike« war eher was für harte Burschen, so mit Motorrad und Lederjacke.
Wer »Lord extra« rauchte, war ein Weichei, trank Limonade und spielte noch im Sandkasten.

So ein Lackaffe besorgte sich »Benson & Hedges«, weil er glaubte, er sei ein ganz besonderer Aufreißer. Dabei fuhr er eine Kreidler und war auch sonst ein Depp.
Aber bei den Mädels hatte er Erfolg, was sicher nicht den Benson & Hedges zuzuschreiben war.
So urdeutsche Marken wie »Overstolz«, »Zuban« oder »Eckstein« waren zu bürgerlich, zu sehr Wohnzimmer mit Nierentischchen. Die rauchte Opa. Wir, die Elite der Zukunft, rauchte international.
Die »Reval ohne«, eine deutsche Marke, ging gerade noch. »Roth-Händle« war nicht so unser Ding, aber die »Senoussi« pafften wir, wenn wir sie kriegten.

Aus dem Italienurlaub brachten wir »Nazionali« mit, sie schmeckten greislich. Aber die winzigen Zündhölzer, die man überall anreißen konnte, waren spitze.
Da wurde die Gauloises umständlich aus der Packung gefingert, zwischern die Lippen geschoben und mit einem gezielten Anriss über die Schuhsohle war das Feuer da.
Danach kam der lange Zug, der einem schwindlig werden lies.

Die Mädels rauchten nicht. Sie machten allerhöchstens mal einen Zug mit unseren Zigaretten und husteten sich danach die Seele aus dem Leib. Es zeigte uns Zigarettenbürscherl, was wir doch für harte Männer waren.

Später wurden die Zippo-Feuerzeuge modern. Diese transportablen Benzintanks stanken penetrant, aber sie kamen aus Amerika, somit waren sie cool.
Dann wurde allmählich alles anders. Ganz langsam und sachte wendete sich das Blatt.
Das Negative, das wir schon immer wussten, aber irgendwie verdrängt hatten, schlich sich ein.

Rauchen war nicht mehr »in«. Es war noch überall geduldet, aber der Hype der Fünfziger und Sechziger war vorbei.
 Jetzt waren die Raucher die Schmuddelkinder. Nichts mehr mit »weiter Welt und grenzenloser Freiheit«. Jetzt war Lungenkrebs und Bronchitis angesagt.
»Du stinkst nach Rauch!«, bekam man zu hören, wenn man aus der Kneipe nach Hause kam.
Das Husten von Opa wurde schlimmer und die Drecksaschenbecher standen auch immer im Weg rum.
Die Zigarettenindustrie stemmte sich vehement dagegen. Ein Werbefeldzug nach dem anderen wurde gestartet, dann starb auch noch der Marlboroman an Lungenkrebs.

Es ging abwärts, steil abwärts. Die Werbung wurde verboten und auf die Packerl mussten so komische Sprüche aufgeklebt werden wie: »Rauchen ist ungesund!«, und all so ein Zeugs.
Just in dem Moment sprang ein Bürscherl aus Passau auf den rasenden Zug auf und verpasste den Rauchern eine gewaltige Watsch’n, von der sie sich bis heute nicht erholten.

Nun ist der Raucher der Außenseiter! Überall ist rauchfrei, bis auf ein paar eng abgesteckte Areale, in denen der Nikotinsüchtling seiner Sucht frönen kann.
Draußen vor der Kneipe friert er sich den Arsch ab und auf dem Bahnsteig drängelt er sich mit anderen Leidensgenossen auf wenigen Quadratmetern um einen Abfallständer.
Ein letztes Refugium sind die eigenen vier Wände, wenn es die Eigenen sind. Man hörte schon von Mietern, die des Rauchens wegen gekündigt wurden.

Und wenn die Gardinen zunehmend vergilbten und die Asche überall herumflog, dann wurde der Raucher auf seinen eigenen Balkon verbannt.
Das wurde so lange praktiziert, bis die Frage auftauchte:
»Warum hören wir damit nicht ganz auf!«

Jetzt kam eine hektische Zeit. Es wurden Bücher angeschafft. »Der fröhliche Nichtraucher«, ist eines der Auflagenstärksten. Dann war es soweit.
Die letzte Zigarette war geraucht. Irgendwo im Wohnzimmerschrank wurde noch ein letztes Packerl deponiert, für alle Fälle.

Im persönlichen Umfeld wurde es verkündet: »Wir rauchen nicht mehr!«
Wow, das saß! Das verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Beim Einkaufen fragten Bekannte: »Gell, Ihr raucht nicht mehr?«
Mit Gönnermine nickten wir knapp und hauchten: »Stimmt, seit vorgestern!«

Und irgendwann danach hatte man es geschafft!
Nichtraucher!


18.) Beim Nudelwasserkochen

Ja, wir essen gerne Nudeln, aber das soll jetzt nicht das Thema sein.

Sie können Gedanken nicht so einfach abschalten. Deshalb passiert das auch, wenn man gerade das Nudelwasser auf den Herd stellt. Das ist ja eine Tätigkeit, die einem keine komplexen Bewegungsabläufe abverlangt. Somit lässt sich da ganz nebenbei allerlei denken.

Ich tue das mit dem Denken bei vielen Tätigkeiten, nicht nur beim Nudelwasserkochen. Meine Gedanken hatten auch überhaupt nichts mit Nudeln zu tun.
Ich überlegte nämlich gerade, wie das wäre, wenn ...

Halt! Uiii! Sorry! Ein einziger Gedanke ging doch in Richtung »Nudel«. Ich musste mich zwischen Makkaroni und Spirelli entscheiden, was ich dann auch zu Gunsten Ersterer tat.

Äh, ja! Jetzt muss ich erst wieder meinen Faden finden. Wenn man was niedergeschrieben hat, ist da ja leicht mit dem Faden finden. Man muss nur etwas weiter oben nachlesen. Wenn es reine Denke war, also noch nicht niedergeschrieben,  kann es schon mal passieren, dass man den Faden nicht mehr findet. Dann steht ein unfertiger Gedanke im Raum.

Wenn man das für sich alleine macht ist das ärgerlich, aber nicht weiter schlimm. Es merkt ja sonst keiner. Wenn das vor Publikum passiert ist das eine andere Sache. Das reicht dann von urkomisch bis lebensgefährlich.

Politikern und auch Po
litikerinnen passiert das ja sehr häufig. Sie denken eine Weile, dann hören sie plötzlich auf damit. Warum? Wahrscheinlich haben sie den Faden verloren.

Es gibt auch welche, die denken immer vom Ende her. Das mag neunmalklug daherkommen, ist aber ein einziger Schmarrn. Wenn ich vom Ende her denke, habe ich den Anfang doch überhaupt nicht im Fokus. Sowas muss schiefgehen. Ich könnte Ihnen jede Menge Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit aufzählen, aber das können sie genau so gut wie ich andenken, da braucht es meine Erklärung nicht dazu.
Ah, jetzt habe ich den Faden wieder! Ein Glück, mein Denken funktioniert noch.

Ich überlegte vorhin, wie das wäre, wenn ich statt Nudeln Reis als Beilage reichen würde. Der Gedanke war rein theoretisch, da ich das Nudelwasser ja schon auf dem Herd hatte. Das kann man nicht mehr so einfach auf Reis umdisponieren. Der hat ganz andere Garzeiten.

Es ist schon verrückt. Da stehst Du neben dem Nudelwasser und wartest bis es kocht. Nebenbei machst Du Dir Gedanken über Deine Gedanken.
Wer das als Spinnerei abtut, der mag sogar Recht haben. Ich werde es trotzdem immer wieder tun.


19.) Heute leicht konfus.

Ich halte Garnichts von der Behauptung »Rentner haben mehr Erfahrung!« Das ist nicht zielführend.

Ein klasse Wort »zielführend«. Damit kann man Eindruck schinden. Wobei das »nicht zielführend« weitaus prägnanter eingesetzt werden kann als das »zielführend« alleine.

Wenn ich eine Sache oder einen Vorgang als »nicht zielführend« bezeichne, dann ist das ein vernichtendes Urteil. Aus die Maus, basta, wertlos, Unfug!
Da hat danach niemals ein »ja aber« Platz. Hier werden Fakten geschaffen.

Ich könnte auch einfach sagen: »Das stimmt nicht!«
Aber, sie merken es ja selbst. Dieser Ausdruck ist banal, belanglos. Da ist keine Wucht dahinter. Das ist so eine Allerweltformel. Das wirkt so dahergesagt.

Ganz anders der Satz: »Ihre Behauptung ist nicht zielführend!« Da ist Power dahinter, Endgültigkeit und Faktenwissen. Dieser Satz strahlt Kompetenz aus.
Ich könnte auch sagen: »Ihre Behauptung ist scheiße!«
Das wäre allerdings sehr anmaßend und unanständig. Wobei »nicht zielführend« exakt das Gleiche meint, nur auf einem anderen Niveau.

Jetzt bin ich doch vom Thema abgekommen. Ursprünglich (siehe oben) wollte ich die Behauptung »Rentner haben mehr Erfahrung« widerlegen.
Allerdings weiß ich nicht, ob zu diesem Zeitpunkt solch ein Erklärungsversuch noch zielführend ist.

Das ist ja so eine Sache. Behaupten kann man alles. Doch, kann man. Eine Behauptung ist erst mal nicht an eine Wahrheit gebunden. Wir erleben das tagtäglich. Da behauptet der eine, eine Obergrenze sei gut, der andere behauptet genau das Gegenteil.

Es gibt keinen Oberschiedsrichter, der nun für alle und endgültig feststellt, welche der Behauptungen auf Wahrheit beruht. Das geht schlicht und einfach nicht. Mit solchen Behauptungen kann man wundervoll schwadronieren. Und wenn man es geschickt anstellt, muss man sich hinterher nicht mal korrigieren oder für eine falsche Behauptung entschuldigen.

Die Politik hat da eine verblüffende und effektive Methodik entwickelt. Die kriegen es fertig an einem Tag »hü« und am anderen Tag »hott« zu sagen. Da regt sich niemand mehr drüber auf, weil man dann nur noch am Aufregen wäre.

Ich weiß nicht, was heute mit mir los ist. Ich komme nicht auf den Punkt. Immer und immer wieder schweife ich ab. Geht Ihnen das auch manchmal so? Sie wollen was erklären und kommen nicht dazu, weil sich Ihre Gehirnwindungen selbstständig machen.

Irgend ein Personaltrainer meint ja, das könnte man gezielt angehen. Da gäbe es so verschiedene Übungen, um zu einem geordneten Gedankengang zu kommen.
Ehrlich gesagt, ich halte da nichts davon. Obwohl solche Kurse schweineteuer sind, sind sie restlos ausgebucht.

Gerade unsere Führungselite ist dort vertreten. Niedrigere Chargen können sich das gar nicht leisten. Dann steht so ein Hanswurst vor einem, turnt um die Flipchart, mal Kreise und ist unentwegt mit einem gelben Marker am Rumkritzeln, dabei redet er permanent Unsinn.
Apropos »Hanswurst«, gibts den auch in der weiblichen Form. »Hanswurstin« oder »Hanswurstine«?

Sehen Sie, jetzt ist es wieder passiert. Momentan kann ich keinen Gedankengang ordentlich zu Ende bringen.

 Vielleicht muss ich doch mal an so einem Workshop teilnehmen. Ich würde mich dann der Optik wegen für eine Hanswurstine entscheiden.

Oder? Ich mache lieber die alte Methode. Erst mal spinne ich rum, lasse meine Gedanken Kapriolen schlagen, danach mache ich mir ein Bier auf.

Na dann mal Prost!



20.) Auf der Zielgeraden des Lebens

Wir Rentner biegen gerade in die Zielgerade des Lebens ein. Das muss man ohne Pathos sagen dürfen. Die längste Strecke des Weges liegt hinter uns. Auch wenn wir nicht gerne darüber reden, es ist nun mal so.

Auf dem noch vor uns liegenden Stück haben wir es nicht mehr so eilig. Wir wollen nicht mehr die Ersten sein. Schneller, höher, weiter gilt ab sofort nicht mehr.

Das sah früher ganz anders aus. Natürlich wollten wir immer vorne mit dabei sein, besser sein als die Anderen, früher ans Ziel kommen, länger ausharren.

Auf der Zielgeraden des Lebens spielt das alles keine Rolle mehr. Diese letzte Strecke wollen wir ohne Hektik genießen. Es ist nicht mehr wichtig, als Erster ins Ziel zu kommen. Jeder wird dort ankommen! Wenn uns das bewusst wird, nehmen wir das Leben intensiver wahr.

Und genau deshalb wird es eine zweite Staffel »Gedanken eines Rentners« geben.2. Staffel


21.) Der Herbst des Lebens

Die wunderbaren Farben, das milde Licht, der goldene Oktober. Die Früchte sind reif, der neue Wein kommt in die Fässer.
Dann heißt es genießen, genießen mit allen Sinnen.

Ein langer Spaziergang durch das Murnauer Moos, einer ursprünglichen Landschaft mit ihren explodierenden Herbstfarben, inspirierte meine Gedanken.

Wir können aus einem Füllhorn an Erfahrung schöpfen. So wie der Herbst die Früchte zur Reife treibt, so ernten wir jetzt unsere »Früchte«.

Irgendwann kommen die nebligen und nasskalten Novembertage mit fahlem Licht und langer Dunkelheit.
Dann wird es Zeit sein Leben zu ordnen und mit sich selbst und seinen Mitmenschen ins Reine zu kommen.

Der Herbst des Lebens hat eine Menge Überraschungen parat, Angenehme und Unangenehme. Trotzdem lassen wir uns nicht aus der Ruhe bringen. Erfahrung und Gelassenheit gewinnen die Oberhand. Die Hitze des Sommers ist vorbei.

Wer seinen Blick über die Feuchtwiesen schweifen lässt, die Moorlandschaft mit ihren Tümpeln und Teichen in sich aufnimmt, der erkennt die Schöpfung Gottes. Alles andere wird unwichtig.

Im Alltag ist so Vieles unsichtbar. Genau deshalb brauchen wir solche Momente des Nachdenkens, um den Blick auf unsere Seele frei zu bekommen.

In den frühen Morgenstunden durchdringt die Kälte der Nacht die lässig übergeworfene Strickjacke. Die Winterklamotten müssen erst noch hervorgeholt werden.
In den Mittagstunden wärmt die Herbstsonne unsere Haut, jetzt ziehen wir die Jacke aus.

Die Sonne ist schon weit entfernt vom Zenit, aber mit Ihrer Kraft lässt sie uns ihre wohlige Wärme spüren. Nichts brennt mehr, nichts treibt uns den Schweiß aus allen Poren. Die milde Herbstsonne übergießt uns mit der letzten Wärme des Jahres.

Die Tagundnachtgleiche, auch heute noch voller Mythen, markiert den Herbstanfang. In diesem Spannungsfeld zwischen untergehendem Licht und heraufkommender Nacht ist der Sonnenuntergang besonders intensiv.

Diese Schwelle zwischen Tag und Nacht ist immer auch eine Nahtstelle zur Anderswelt, zu ganz besonderen Gefühlszuständen. Alle Kulturen rund um den Erdball würdigen diese Tagundnachtgleiche.

Es ist auch der Beginn des Sternzeichens Waage, in dem ich geboren bin.

Die Waage ist im tieferen Verständnis ein Seelenwäger an der Schwelle zum Totenreich.
Diese Rolle hat in der katholischen Kirche Erzengel Michael übernommen, der oft mit Schwert und Waage dargestellt wird. Auch er ist ein Geleiter der Toten.

Landläufig wird der Waagemensch mit Harmonie, Schönheit, Diplomatie, Ausgeglichenheit, oft sehr oberflächlich beschrieben.
Aber der tiefere Sinn ist dieses »Gleichgewicht« das hinter allen Dingen verborgen ist und zur wahren Harmonie, Schönheit und dem Frieden dazugehört.
Geraten die Dinge aus dem Gleichgewicht, fangen die Probleme an.
Ein wirklich ausgeglichener Waagemensch hat Tiefe. Und diese Tiefe umfaßt auch die Dunkelheit.

Und so zeigt der Herbst in seiner großen Vielfalt, Vielfarbigkeit und Vielschichtigkeit sehr viel von den Menschen des Sternzeichens Waage. Menschen, die auf der Schwelle des Sonnenuntergangs des großen Jahreskreises geboren werden.

Nur dieses wunderbare Gedicht von Rainer Maria Rilke kann meine Betrachtung zum »Herbst des Lebens« abschließen.

Herbsttag
Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.


22.) Wenn Du den Herbst atmest.

Wer die Natur in all ihrer Schönheit begreifen will, der muss ins Detail gehen. Auch wenn die explodierenden Farben der Wälder, der Hecken und Sträucher unser Staunen hervorrufen, so sollten wir uns die Mühe machen, ein einzeln fallendes Blatt zu betrachten.

Wie es sich vom Baum löst und bei Windstille tänzelnd und mit Bedacht zu Boden schwebt. Ganz ohne Eile tritt es seine Reise an. Es schaukelt und gaukelt uns seine Leichtigkeit vor. Noch ein letzter Tanz um sich selbst und um den Baum, erst dann legt es sich zu dessen Füßen.

Wie anders ist es doch, wenn der Herbststurm dieses Blatt vom Ast reißt, es viele Meter durch die Luft wirbelt, es auf dem Boden mitschleift, es nicht zur Ruhe kommen lässt. Immer und immer wieder wird es aufgewirbelt und weitergeblasen.

 Wenn Regentropfen das Blatt vom Baume schlagen, es sogleich mit immer neuen Treffern nass und schwer zu Boden zwingen. Da ist kein Tänzeln mehr, kein Schweben, nur Fallen.
Im Laufe der nächsten Monate wird aus diesem Blatt neues Leben entstehen.

Vielleicht hebt es jemand auf, setzt sich mit dem Blatt auf eine Parkbank und hat Muße und Zeit es zu betrachten.
Kein Blatt gleicht dem anderen, auch wenn sie sich, oberflächlich betrachtet, in ihrem Aussehen ähneln.

Feine und feinste »Äderchen« durchziehen ein filigranes Netzwerk. Die Natur ist in ihrer Formgebung ein wahrer Meister. Die Farbnuancen gehen ins Unendliche. Vom kräftigen und selbstsicheren Rotbraun über ein zartes erdfarbenes Ocker bis zum innig leuchtenden Orangegelb.

Das schwindende Grün, das den Sommer beherrschte, macht dem Wundermalkasten der Schöpfung Platz.
Dieses eine Blatt lässt uns erahnen, wie reichhaltig die Natur ausgestattet ist.
In seiner Einmaligkeit fordert es unsere Phantasie heraus.
»Schau mich an!«, flüstert es, »erfreue Dich an meiner Schönheit!«
Vielleicht drehst Du es ein paarmal, hältst es hinauf gegen den Himmel, um seine Strukturen besser zu erkennen. Vielleicht riechst Du daran und atmest den Herbst.

Vielleicht begreifst Du jetzt, dass die Welt voller Wunder ist. Jedes einzelne Blatt ist so ein Wunderwerk der Natur.
Vielleicht begreifst Du jetzt, dass Vergänglichkeit notwendig ist, um neues Leben immer und immer wieder enstehen zu lassen. Die Unendlichkeit der Schöpfung braucht unsere Endlichkeit.


23.) Die wirklich stade Zeit

Die »stade Zeit« ist nicht die Vorweihnachtszeit mit all ihrer Hektik, ihren Nikoläusen und Lichterketten, ihren Bratwurst- und Glühweinständen. Die wirklich stade Zeit findet im November statt. Sobald der 1. Advent naht, ist sie vorbei! Vielleicht war das früher mal anders und die Adventszeit war wirklich besinnlich. Heute ist sie das nicht mehr.

Ein Weihnachtsmarkt jagt den anderen. Die Vorweihnachtszeit ist die große Geschäftsidee. Hier muss der Umsatz stimmen! Die »Frohe Botschaft« bleibt dabei auf der Strecke. Das »Warten aufs Christkind« ist dem Konsumrausch geopfert.
Manch »weihnachtliche« Beleuchtung mit kletternden Weihnachtsmännern und blinkenden Rentieren erinnert eher an die Lichtreklame auf St. Pauli.
Obwohl, auch auf St. Pauli gibt es sowas wie ein »Fest der Liebe«. Allerdings ist dort die körperliche Lust gemeint, die allzu oft mit Liebe verwechselt wird.

Mit Allerheiligen beginnt bei uns in Niederbayern die stade Zeit. Der Beginn der narrischen Zeit am 11.11. spielt hier keine Rolle. Das überlassen wir den Rheinländern.

Dann ist nichts mehr los. Kirmes und Herbstmessen sind vorbei, tote Hose in den Kneipen. Die Fremdenverkehrsorte fallen in einen spätherbstlichen Schlummer. Wer sich jetzt einen Urlaub leisten kann, fährt gen Süden, weit gen Süden.

Die Herbsttage sind neblig und nasskalt. Nur selten lässt sich die Novembersonne blicken. Das Grau in grau herrscht vor. In höheren Lagen ist gelegentlich Schnee angesagt.
Die Straßen sind schmierig von den vielen Treckern, die die letzten Arbeiten auf den Feldern verrichten.

Nasses Laub auf den Gehwegen mahnt zur Vorsicht.
Schon lange sind die Gartenmöbel weggeräumt oder sie stehen verloren auf der Terrasse herum. Nur die Nikoläuse in den Geschäften sind schon präsent.


24.) Der Bleistiftanspitzer

Oberflächlich betrachtet ist das eine Lappalie! Wie gesagt, oberflächlich betrachtet.
Nun liegen da über sechzig Polychromos-Stifte vor mir. Die allermeisten stumpf und runtergemalt. Anständig arbeiten damit geht gar nicht, beim besten Willen nicht.

Und Doris will zeichnen, mit Polychromos natürlich.
Ein Bleistiftspitzer muss her!
Ich habe so einen ganz tollen Spitzer mit eingebauter Fräse und Kurbel. Der ist aber für Bleistifte, absolut ungeeignet für Polychromos. Der spitzt sämtliche Bleistifte sehr spitz mit langer Spitze. Polychromos-Stifte müssen auch gespitzt sein, aber mit kurzer Spitze.
Auch dafür gibt es Spitzer, nur, die sind alle stumpf.
Und Doris will mit Polychromos zeichnen.
In unserem unendlichen Fundus an Mal- und Zeichenmaterialien fand ich die passenden Ersatzmesserchen dazu. Das sind die, die mit einer feinen Kreuzschlitzschraube im Spitzer befestigt sind.

Mit einem Nadelhalter, einem chirurgischen Instrument, konnte ich die Messerchen austauschen.
Die Anspitzorgie konnte beginnen.

Begleitet von diversen Lobgesängen meiner Doris spitzte ich einen Polychromos nach dem anderen. Der Aschenbecher quoll über vor girlandenförmigen Farbstiftabfall.
Da gab es alleine sieben verschiedene Gelbtöne und eine ganze Menge unterschiedliche Stifte in Grün. Ein Wunderwerk an Farben.

Danach lagen sie akkurat nebeneinander in ihrer Kassette. Einige deutlich kürzer als die anderen, allesamt mit kurzer Spitze. Das neue Messerchen hatte gute Arbeit geleistet.
Jetzt kam für mich das Interessante. Das Anspitzen an sich war eher ein stupider Vorgang. Nun sah ich, welche Farben Doris bevorzugt verwendet. Diese Stifte waren deutlich kürzer als die weniger benutzten.
Jetzt schwadroniere ich die ganze Zeit über Polychromos-Stifte und vermute, so manche Zeitgenossen und auch Genossinen können damit nicht viel anfangen.
Solche Stifte sind, wenn Sie so wollen Buntstifte.
Der Profi bezeichnet sie als »Farbstifte«.
Der Unterschied der Polychromos-Stifte zu »normalen« Farbstiften ist die Verwendung hochwertigerer Farbpigmente und Bindematerialien, auf Öl- bzw. Wachsbasis.
Damit kann man fein abgestufte Farbnuancen durch Lasurtechniken erzeugen, die nahezu fotorealistische Bilder ermöglichen.
Der Mercedes unter diesen Stiften kommt von Faber-Castell. Die sind nicht gerade billig, aber in ihrer Anwendung sehr professionell und den normalen Buntstiften haushoch überlegen.


25.) Wetter ist immer!

Es heißt ja, Rentner unterhalten sich gerne übers Wetter. Dem kann ich nun gar nicht zustimmen. Oder haben sie irgendwo in meinen zurückliegenden vierundzwanzig G'schichterl einmal das Wort »Wetter« gelesen? Haben Sie nicht, weil es nie ums Wetter ging.

Aber just in diesem Moment g'freit es mich, ein G’schichterl übers Wetter zu schreiben. Man muss ja auch mal seine Klischees bedienen.

Also, erst mal, Wetter ist immer! Das kann man nicht so oft von Naturbegebenheiten sagen. Nacht ist nicht immer und Tag auch nicht. Aber Wetter ist immer und das ist gut so!

Können Sie sich vorstellen, was in unserer Welt los wäre, wenn es mal kein Wetter gäbe? Das ist so abwegig, das kann man sich nicht mal vorstellen. Gerade deshalb ist Wetter ein vorzügliches Gesprächsthema, weil es immer und überall da ist. Wenn man überhaupt nichts zum Reden weiß hilft es einem aus der Bredouille.

Wetter wird auch nie langweilig, jedenfalls bei uns nicht. Und zum Schimpfen gibt es auch immer was. Das sind ideale Bedingungen für eine abwechslungsreiche Kommunikation.
Die besten Streitgespräche kann man übers Wetter führen, denn es passiert nie, dass alle einer Meinung sind. Ein jeder hat ein anderes Verhältnis dazu.

Besonders interessant wird es, wenn die Wettervorhersage mal nicht zutrifft und sich so ein deppertes Tiefdruckgebiet klammheimlich breitmacht.

Tiefdruckgebiete haben 2016 und auch sonst an allen geraden Jahreszahlen weibliche Vornamen, an den ungeraden sind die Männer dran.

Diese Namensgebung existiert seit 1954 und stammt ursprünglich von den Amis. Erst 1990 wurde das in der Bevölkerung bekannt, als die Orkane »Vivian« und »Wiebke« über Deutschlang hinwegfegten und in den Medien mit Namen benannt wurden.

Jetzt kann man sogar Namenspatenschaften übernehmen. Das erledigt das meteorologische Institut der FU Berlin für 236,87 Euro incl. Mehrwertsteuer. Die Verlinkung einer Homepage kostet nochmal 23,80 Euronen. Das ist eine clevere Sache. Mit diesem Geld wird eine studentische Wetter- und Klimabeobachtung an der Wetterstation in Berlin-Dahlem finanziert.

Die Wetterpaten, so habe ich mir sagen lassen, stehen dort Schlange. Ist doch schick für nicht mal dreihundert Euro sein eigens Hoch- oder Tiefdruckgebiet zu haben.

Ich stelle mir das jetzt mal vor, wenn in der Tagesschau berichtet wird:
»Heute Nacht hat das Sturmtief »Fabrizius« über Süddeutschland gewütet. Die Orkanböen erreichten Windstärke 12 und fegten mit bis zu 130 Stundenkilometer über Stadt und Land. Gewaltige Wassermassen ließen Dämme brechen und Keller volllaufen. Die Bundesbahn musste ihren Betrieb auf weiten Strecken einstellen!«

Ist das nicht Klasse, was man für 236,87 Euronen alles bekommen kann?


26.) Hast Du Deine Tabletten genommen?

Dieser Satz schwebt jeden Morgen über dem Frühstückstisch. Jeden Morgen!
Er ist Ritual, Er kommt so sicher, wie das »Amen« in der Kirche.

Ich könnte jetzt nicht sagen, wann er das erste Mal präsent war. Vielleicht vor drei oder vor fünf Jahren? Ich weiß es nicht. Aber, als er präsent war, dann jeden Tag!

Natürlich passt so eine Frage eher zu einem Rentner als zu einem Austauschschüler.

Wie komme ich jetzt in Dreiteufelsnamen auf »Austauschschüler«? Natürlich müssen die eventuell auch Tabletten schlucken, klar! Jeder kann irgendwann mal irgendwelche Pillen nehmen müssen. Da ist keiner dagegen gefeit!
Aber bei Rentnern, resp. Rentnerinnen ist das sicherlich häufiger der Fall als bei Austauschschülern resp. Austauschschülerinnen. Ich denke, das leuchtet jedem ein.

Tabletten sind ja eher eine moderne Form der Medikamenteneinnahme. Früher gab es Tropfen, später dann auch Pillen. Wobei Pillen keine Tabletten sind. Davon später mehr.

Wir waren bei den Tropfen stehen geblieben. Allseits vorhanden und heute noch beliebt sind Baldriantropfen. Es gibt Menschen die schwören darauf.

Kenn Sie noch die Hoffmannstropfen? Die waren früher in jeder Erste-Hilfe-Tasche des Roten Kreuzes.
Ein Mensch namens »Hoffmann«, logisch, oder?, erfand diese Tropfen, die bei Schwächeanfällen helfen sollen. Das wurde nie wissenschaftlich nachgewiesen. Deshalb steht auf jeder Umverpackung:

»Traditionell angewendet zur Besserung des Befindens bei Schwächeanfällen. Diese Angabe beruht ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger Erfahrung.«

Der olle Hoffmann mixte anno 1700 Ethanol und Ether im Verhältnis drei zu eins zusammen, gab gereinigtes Wasser dazu und fertig war die Mixtur.
Ja, das war schon um die Jahrhundertwende um Siebzehnhundert.
Das weiß man so genau, weil besagter Hoffmann 1704 ein Privileg des Kurfürsten von Mainz zu Herstellung und Vertrieb erhielt.

Hoffmannstropfen bekommen sie heute in jeder Apotheke. In Tablettenform gibt es die nicht! So besehen ist das ein Alleinstellungsmerkmal. Wenn das der Hoffmann selig noch erlebt hätte, der hätte doch glatt einen Schwächeanfall erlitten und sich mit seinen eigenen Tropfen wieder hochgepäppelt.


27.) Genießen ohne Rauch - Der Schnupftabakblues

Es ist schier unmöglich, das Glücksgefühl zu beschreiben, wenn man sich eine Prise in die Nase zieht. Und weil das so ist, behaupte ich, unser Herrgott zieht sich auch ab und zu eine Prise rein.
Es ist wahrlich ein göttliches Gefühl!

Schnupftabak braucht keine Reklame. Zum Schnupfen wird man geboren. Es braucht keine Überzeugung. Wer schnupft, der schnupft und wer es nicht mag, der soll es bleiben lassen.
Ich kann mich glücklich schätzen, ich schnupfe!

Schnupferer sind eine ganz besondere Sorte Mensch. Weltoffen, gesellig, friedfertig, ausgeglichen, hilfsbereit und und und!
Allesamt sind es glückliche Menschen.

Sie verpesten keine Luft, belästigen keine Mitmenschen, kein Aschenbecher quillt über, keine Tapete vergilbt. Es stinkt nicht. Seit es Einmaltaschentücher gibt, hat der Schnupftabak auch seinen letzten Schrecken verloren.
Eine durch und durch saubere Sache.

Die Wiege des Schnupftabaks stand in Mittel- und Südamerika. Schon Kolumbus erwähnte ihn in seinen Aufzeichnungen.

Die französische Königin Katharina von Medici war bereits im sechzehnten Jahrhundert eine der ersten und berühmtesten Schnupferinnen. Daher kommt der heute kaum noch verwendete Name »poudre de la reine«, »Puder der Königin«.

Im spanischen Sevilla entstand um 1677 die erste Schnupftabakmanufaktur. Um 1840 wurden in 40 Tabakmühlen über 1000 Tonnen Schnupftabak jährlich hergestellt. Die wirtschaftliche Bedeutung übertraf seinerzeit andere Kolonialwaren, wie Kaffee, Tee oder Rohrzucker.

Alles in allem ist das Schnupfen eine runde Sache!
Egal, ob es der klassische Schmalzler ist oder der Snuff.

Gesellschaftsfähig war der Schnupftabak allemal. Wertvolle Schnupftabakdosen sind heute noch viel beachtete Pretiosen und waren seinerzeit ganz besondere Geschenke, mit denen man nur hochgeschätzte Personen bedachte.

Auch heute ist es eine ganz besondere Auszeichnung, wenn ein Schnupferer einem Mitmenschen mit der Frage: »Mogst a Pries?«, seinen Schnupftabak anbietet.



28.) Vom Sein im Nichtsein

»To be, or not to be, that is the question:«
Genau, kennt fast jeder:
»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage!«, mutierte zum geflügelten Wort des Bildungsbürgers, lang bevor der Begriff »Bildungsbürger« geprägt wurde.

Diesen Ausspruch, getextet von Shakespeare, Hamlet in den Mund gelegt, hat jeder mit einem halbwegs guten Schulabschluss drauf. Der Satz ist jederzeit abrufbar. So gut wie immer kann man mit ihm Eindruck schinden.

Danach folgt bei Hamlet ein Monolog, den natürlich keine Sau mehr kennt. Da geht es um Todessehnsucht, Weltschmerz und Angst vor dem Tod.

Die Frage nach dem Sein oder dem Nichtsein bleibt unbeantwortet. Das mag bei Hamlet schlüssig sein.
So wie wir modernen Menschen das Zitat verwenden, kann es schlussendlich ohne eine Antwort nicht befriedigen.
Wäre dieser Satz von Otto Normalverbraucher niedergeschrieben worden, er wäre ein Satz unter vielen.

Jetzt werden ein paar übereifrige Literaturfuzzies ganz laut »Buh!«, rufen. Ich bleibe dabei, Shakespeare lässt die Frage im Raum stehen, er liefert keine Antwort.
Was folgt, sind Abwägungen und Mutmaßungen, nichts Konkretes. »Hätte, hätte, Fahrradkette!«

Zumindest hätte man eine philosophische Antwort erwartet. Statt dessen erleben wir eine gewaltige Abmurkserei. Da wurde beinahe ein ganzer Familienclan ausgerottet. Mal bringen sie sich selber um, mal werden sie aus Versehen umgebracht, mal aus Rache.
Ein echter Thriller halt.

Als ich diesen Spruch neulich irgendwo bei einer Gesprächsrunde so ganz nebenbei als Bonmot zitierte, antwortete ein eifriger »Literaturkenner«.
»Ah, Goethe, Faust 1. Teil!«

Daraufhin schauten die Herumstehenden leicht indigniert zu Boden. Ein Herr mittleren Alters in Jeans und weißem Rolli, Typ Oberstudienrat, lies ein fast lautloses: »Boah, stark!«, hören.
Eine durchaus charmante Lady im cremefarbenen Hosenanzug und griechischblauen Seidenschal, locker um die Schultern geworfen, zwirbelte Ihre Halskette dermaßen heftig, dass ich Angst hatte, sie könne sich erwürgen. Sie konnte sich ein Glucksen aus der Tiefe Ihrer Kehle nicht verkneifen.

All das focht den »Literaturkenner« nicht an. Er schob noch einen nach:
»Ja ja, Goethe ist wahrlich eine Fundgrube!
Früh übt sich, wer ein Meister werden will!«

Das ist natürlich auch nicht von Goethe, sondern von Schiller aus Wilhelm Tell, 1. Teil.
Jetzt wurde die Runde feist. Statt geflissentlich über die mangelhaften Kenntnisse des »Literaten« hinwegzusehen, wurde er animiert mehr solch »geflügelte Worte« zu präsentieren.

Bei so viel Häme wollte ich nicht dabei sein und schlenderte mehr oder weniger gedankenlos ein paar Stehtische weiter.

»Die Existenz dessen, was nie vorhanden war, verbietet es, sie mit dem Nichtsein gleichzusetzen!«
Oha, das klang interessant! Ich gesellte mich dazu, war ich doch vorhin der Stichwortgeber mit meinem Zitat vom Sein oder Nichtsein.

Die Wortführerin dozierte weiter:
»Das nimmt uns die Möglichkeit, das Sein vom Nichtsein zu trennen. Nur zusammen können sie existent oder nicht existent sein!«

Sakradi dachte ich für mich im Stillen, die hat es drauf.
Es ging weiter:
»Genau deshalb ist es bisher nie gelungen dieses Zitat von Hamlet fertig zu denken! Es fehlt die Endgültigkeit und weil die fehlt, animiert uns Shakespeare indirekt dazu, weiterzusuchen!«

Genau! Sowas Ähnliches schrieb ich am Anfang meines Textes auch. (s.o.) Das war von Shakespeare nicht fertiggedacht.
Natürlich wollte er das so. Das war kein literarischer Ausrutscher vom Großmeister der englischen Literatur.
Wir sollen darüber nachdenken!

Und weil das so ist, reifte in mir der Plan, darüber einen Aufsatz zu schreiben.
Ich schreibe gerne über solche Dinge. Das soll, so die allgemeine Sichtweise, den literarischen Horizont erweitern.
Nun brüte ich vor Hamlet und seinem Ausspruch:
»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage!«
Ob ich jemals eine Antwort finde?


29.) Die Macht und die Herrlichkeit

Die Eliten waren früher adelig oder klerikal, oft traf beides zusammen.
Natürlich gab es auch ein paar Idioten dabei, sie wurden versteckt oder beseitigt.
Das gemeine Volk wurde bildungsfern gehalten. So konnte über Jahrhunderte eine Feudalherrschaft aufrechterhalten werden.

Dann kam die Demokratie. Für sie wird seit zwei Jahrhunderten gestritten. Mal mit mehr mal mit weniger Erfolg. Dieses empfindliche Pflänzchen konnte sich bisher nicht weltumspannend durchsetzen.

Dort, wo es momentan gedeiht, ist es andauernden Bedrohungen ausgesetzt. Mal von Despoten mal von Radikalen. Immer mehr werden Kapital und Banken zum Demokratievernichter. Geld ist Macht und die kauft man sich halt.

Was früher Adel und Klerus waren, sind heute Banken und Großindustrie. Allesamt Global Player, wie es so harmlos auf neoliberal heißt.

Dazu kommen IT Giganten, die neben Geld und Macht die Möglichkeit haben die Massen zu beeinflussen.

Keine optimalen Voraussetzungen für die schwachbrüstige, immer kränkelnde Demokratie.

Denn, die Eliten gehen zum Kapital, die Luschen in die Politik.


 

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